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Winnie kämpft ums Überleben
An diesem kalten Tag Anfang April konnte
die Sonne nur wenig Licht durch die schweren Wolken schicken. Es
regnete in Strömen und jedes Lebewesen im Wald verkroch sich,
so gut es ging. Weit oben verborgen in der Baumkrone einer über
zehn Meter hohen Fichte befand sich ein Kobel, das Kugelnest eines
Eichhörnchens. Es war trotz des Regens vollkommen trocken,
die Fichtenzweige darüber wirkten wie ein schützendes
Dach. Im Inneren des Kobels lag zusammengerollt eine rotbraune Eichkatze,
an ihren Bauch kuschelten sich vier winzig kleine Jungtiere. Sie
waren erst wenige Stunden alt und bis auf vereinzelte Tasthaare
über den Augen, an den Wangen und Unterarmen noch vollkommen
nackt. Die Mutter leckte sie hingebungsvoll und legte schließlich
ihren buschigen Schwanz wie eine wärmende Decke über die
Kleinen. Dann lauschte sie angestrengt mit hoch aufgestellten Ohren.
Sie hörte nur das gleichmäßige Trommeln der Regentropfen
auf den Zweigen. An diesem Tag drohte ihr keine Gefahr. Das Nest
war gut getarnt und bei so einem Wetter blieb auch ihr größter
Feind, der Baummarder, in seinem Versteck.
Am nächsten Morgen wurde die Mutter unruhig, großer Hunger
hatte sie schon in der Nacht geplagt. Nun deckte sie die Jungen
mit weichem Nestmaterial zu und steckte den Kopf durch das Schlupfloch
ihres Kobels. Sie konnte durch die Zweige ein kleines Stück
vom wolkenlosen Himmel sehen. Er versprach einen schönen Tag.
Trotzdem würde die Eichkatze heute nur einen kurzen Ausflug
unternehmen. Kopfüber rannte sie den Fichtenstamm herunter,
verharrte einen Moment lang am Fuße des Baumes, um die Geräusche
des Waldes aufzunehmen und eilte anschließend zum Bach ganz
in der Nähe. Nachdem sie ihren Durst gestillt hatte, flitzte
sie davon. Erst unter einer mächtigen Rotbuche wurde sie langsamer.
Fast mit der Nase den Boden berührend lief sie kreuz und quer
um den Baum herum, stoppte plötzlich, scharrte mit den Vorderpfoten
im welken Laub und holte mit der Schnauze eine Buchecker aus dem
Waldboden. Sie setzte sich auf die Hinterbeine, nahm die harte Schale
in die Pfoten und holte mit ihren langen Nagezähnen den Samen
aus der halb geöffneten Frucht. Dann suchte sie erneut den
Waldboden ab. Während sie scheinbar nur mit der Nahrungssuche
beschäftigt war, beobachtete die Eichkatze jedoch mit ihren
großen hervorstehenden Augen unaufhörlich die Umgebung
und lauschte auf jedes Rascheln. Sie wusste genau, welche Geräusche
die Tiere des Waldes verursachten. Kam ihr irgendetwas verdächtig
vor, flüchtete sie blitzschnell in die Baumkronen. An diesem
Tag störte sie niemand. Trotzdem eilte sie wenig später
zum Kobel zurück. Bevor sie zu den Jungen schlüpfte, rieb
sie ihre Schnauze an der Baumrinde ab und reinigte gründlich
ihr weiches Fell.
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